Zeichnungen aus der Serie "Identitäten"

Identitäten

Farb- und Bleistift,
Aquarell auf Papier, Zwirn
ca. 35 x 35 cm
2016

Identitäten

Mit Papier, Farbstift, Messer und Garn

Zeichnen, zerschneiden, zusammensetzen und vernähen. In meinen jüngsten Arbeiten beschäftigt mich der Prozess des Erschaffens, der anschließenden Zerstörung und des versöhnenden Wieder-Zusammensetzens. Sorgfältig gezeichnete, präzise geschnittene und geduldig vernähte Papierarbeiten zerschneide ich mit der Klinge eines Skalpells. Die Teile werden auseinandergenommen, anders geordnet und zu einem neuen, vom Arbeitsprozess versehrten Bild zusammengesetzt. Das Material Papier gewinnt an Bedeutung über seine Funktion als Bildträger hinaus. Die Silhouetten und Überlappungen fügen sich mit dem Gezeichneten zu einem Bild, das nicht nur mit Farbstift und Aquarell, sondern auch Schnittkanten, Umrisslinien, Nähten und in den Raum stehenden Papierteilen gezeichnet wird. Es entsteht eine verletzte, aber auch neuartige Zeichnung, die eine Geschichte nicht nur in Form der Abbildung, sondern auch in Form der Bearbeitung erzählt.

Diese Art der Bildfindung habe ich auch für das Buchcover zur Tagung „Identitäten – Zumutungen für Wissenschaft und Gesellschaft“ angewandt. Aus einzelnen Papierteilen fertige ich schöne, detailreiche, sorgfältig gearbeitete Männer- und Frauenportraits. Ich hole das Messer, setze an, halte kurz inne und zerschneide alle Gesichter mit zügig gesetzten Schnitten. Das ist schmerzhaft – für die Zeichnung und für mich.

Die Gesichter werden auseinandergenommen, neu geordnet und mit Nähten fixiert. Es entsteht eine Handvoll Portraits, die jetzt jedoch mehrere Identitäten in sich vereinen, durchmischt in Geschlecht und Rollen, in Blickrichtungen und Stimmungen. Der Gedanke dahinter ist, dass jeder mehrere Rollen in sich vereint, unterschiedliche Identitäten annimmt, und diese Summe schließlich eine facettenreiche, vielschichtige Persönlichkeit ausmacht. Auch die Schnitte und Nähte sind gewollt. Sie erzählen von Verletzung und Versöhnung. Sie zeugen von Erlebnissen und Begegnungen, die die Persönlichkeit formen und Neues hervorbringen.

 

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